Schulbasierte Ergotherapie
Definition
Der Begriff schulbasierte Ergotherapie bezeichnet die ergotherapeutische Tätigkeit in der natürlichen Lebensumwelt Schule zur Unterstützung der Inklusion. Der Fokus der schulbasierten Ergotherapie ist alltagsbezogen und in den Schulalltag integriert. Schulbasierte Ergotherapie hat das Ziel, die Teilhabe am Schulleben und die erfolgreiche Durchführung von alltäglichen Schulbetätigungen/ Schulaktivitäten für alle Kinder zu ermöglichen. Dabei steht nicht die Behinderung oder Beeinträchtigung im Vordergrund, sondern das Potential jedes Kindes für die Teilhabe am Schulalltag. Das Grundverständnis von natürlicher Diversität in einer Klasse oder Schule ist die Basis des ergotherapeutischen Handelns und auch der Arbeitsweise des gesamten Schulteams im inklusiven Schulkontext (DVE, 2018).
Schulbasierte Ergotherapie und Inklusion
Regelschulen mit einem inklusiven Schulkonzept bieten die Möglichkeit, das Miteinander von Kindern verschiedener Entwicklungsverläufe, Herkunft, etc. zu ermöglichen. Vielfalt wird so zur Normalität und beinhaltet die Chance Unsicherheiten und Vorurteile aufzulösen und diskriminierende Haltungen abzubauen (vgl. Sievers, 2014b). Diverse Studien zeigen zudem auf, welche Vorteile die schulbasierte Ergotherapie im Bereich der Inklusion mit sich bringt (Wirth et al., 2014; Missiuna & Hecimovich, 2015). Insbesondere in Ländern wie den USA, Neuseeland und Kanada wird der Einbezug der Ergotherapie im multiprofessionellen Team seit fast zwei Jahrzehnten erfolgreich gelebt. Auch in Europa bietet uns Skandinavien ein gutes Beispiel für inklusive Beschulung. Bei Myklebust (2006, S.37) zeigt sich, dass inklusiv beschulte Kinder zu einem erhöhten Maß erfolgreicher sind, als die Schüler die nicht in dieser Form beschult wurden. In diesen Klassensystemen ist es wahrscheinlicher, dass Schüler:innen mit Behinderungen Abschlüsse erwerben, die sie dazu befähigen Arbeit zu finden, welche sie ökonomisch unabhängig macht. (ebd., S.80).
Auf der Grundlage eines medizinisch-therapeutischen Fachwissens hat die ergotherapeutische Arbeit die Verbesserung der Handlungsfähigkeit des Menschen zum Ziel. Im schulischen Kontext bezieht sich diese Arbeitsweise insbesondere auf die Anpassung der Schulumwelt und der Schulbetätigungen an die Bedürfnisse des Kindes oder Jugendlichen, z.B. nach dem Person-Environment-Occupation (PEO) Modell von Law & Dunbar (2007). Dies beinhaltet die Adaption der Anforderungen, als auch der Handlungsschritte, sowie der Stärkung der Ressourcen und den Abbau der Barrieren im physischen, sozialen, kulturellen, sozioökonomischen und institutionellen Bereich (Wirth et al, 2015). Um erfolgreiche Inklusion stattfinden zu lassen, muss nach Peirera et al. (2010) die gesamte Schulumgebung darauf ausgerichtet sein, Schüler:innen mit Behinderung aufnehmen zu können.
Derzeit finden ergotherapeutische Behandlungen in der Regel als externe Angebote für betroffene Schüler:innen statt. Oftmals finden sie auch außerhalb des Schulkontextes statt. Dies wird nach Hemmingsson & Borell (2002) von der Schulgemeinschaft eher als isolierend wahrgenommen und widerspricht damit den Prinzipien der Inklusion.
Das Arbeiten im realen Schulumfeld der Schülerinnen und Schüler schafft hingegen Voraussetzungen für klientenzentriertes, kontextbasiertes und betätigungsorientiertes Handeln. Der Fokus liegt hier vor allem auf der Beratung der verantwortlichen Personen in der Schulumwelt und der Zusammenarbeit im Schulteam (Wirth et al., 2014). Studien von Campell et al. (2012) und Barnes & Turner (2001) belegen bspw. eine höhere Zufriedenheit und positivere Wahrnehmung der Ergotherapie, wenn sie als Intervention über Zusammenarbeit oder Beratung, anstatt als direkte Intervention erfolgt.
Somit ist eine feste Verankerung der Ergotherapeuten im Schulsystem eine notwendige Voraussetzung, um Inklusion in Schulen leben zu können.
Video Interview
Auf dem DVE Kongress im Jahr 2016 haben wir mit Andrea Hasselbusch über Schulbasierte Ergotherapie und Inklusion gesprochen.
Finanzierung an Berliner Regelschulen
Inhalt folgt in Kürze.
Quellenangaben
Barnes, K. J. & Turner, K. D. (2001). Team collaborative practices between teachers and occupational therapists. American Journal of Occupational Therapy. 55, 83-89
Campbell, W., Missiuna, C., Rivard, L., & Pollock, N. (2012). “Support for everyone”: Experiences of occupational therapists delivering a new model of school-based services. Canadian Journal of Occupational Therapy, 79, 51-59. doi:10.2182/cjot.2012.79.1.7
Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e. V. Stellungnahme der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation zu Artikel 24 der Behindertenrechtskonvention. 2011. http://dvfr.de.fileadmin/download/Stellungnahme_Art_24_BRK_ 21_11_2011_EF.pdf (21.8.2012)
Hasselbusch A., Hoerder R., With P., Blum A., Scheffler J. (2018) In DVE (Hrsg.). Schulbasierte Ergotherapie – Ergotherapie im inklusiven Bildungskontext. Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.
Hemmingsson, H. & Borell, L., (2002). Environmental Barriers in Mainstream Schools. Child: Care, Health and Development. 28 (1), 57-63
Law, M. & Dunbar, S.B. (2007). Person-Environment-Occupation Model, In Dunbar, B.D.(Ed.), Occcupational model for intervention with children and families (pp.27-49). New Jersey: Slack.
Missiuna, C. & Hecimovich, C. (2015). Partnering for Change. Implementation and Evaluation, 2013-2015. www.partneringforchange.ca/img/P4C-2015.pdf
Myklebust, J. (2006). Class placement and competence attainment among students with special educational needs. British Journal of Special Education. 33 (2), 76-81
Pereira E., La Cou K., Jonsson H., Hemmingsson H. (2010). The Participation Experience of Children with Disabilities in Portuguese Mainstream Schools. British Journal of Occupational Therapy. 73 (12), 598-606
Sievers, I. (2014b). Handreichung zum Thema Umgang mit Diversität – Herausforderungen und Chancen für pädagogische Fachkräfte. Hannover
Wirth P., Schweiger B., Zillhardt C. & Hasselbusch A. (2014). Abenteuer Schule. Et Reha 53.(1), 25-31, Hrsg. DVE